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»Wir haben viele Möglichkeiten, zukunftsgerecht zu unterrichten«

Im Interview mit dem Stadtspiegel-Redakteur Sebastian Nickel spricht Gabriele Ruhe, Schulleiterin der Integrierten Gesamtschule (IGS) Schöppenstedt, über Werte, Projekte und Ziele.

Schulleiterin Gabriele Ruhe ist zufrieden mit der Entwicklung der IGS Schöppenstedt
Schulleiterin Gabriele Ruhe ist zufrieden mit der Entwicklung der IGS Schöppenstedt

Frau Ruhe, vielen Dank, dass Sie sich für dieses Gespräch Zeit genommen haben. Die IGS in Schöppenstedt hat seit ihrer Gründung erlebnisreiche Jahre hinter sich gebracht. Mit welchen Gefühlen blicken Sie zurück?

Die Schule ist im Jahr 2017 mit vielen neuen Ideen gut gestartet und hat dann leider unter personellen Engpässen gelitten. Das hat sich in den vergangenen zwei Jahren aber verändert. Aktuell sind wir gut aufgestellt und haben ein junges und motiviertes Kollegium, das seine Visionen für die Schule sowie mit den Schülerinnen und Schülern umsetzen will. Kreativ, unterstützend und zukunftsorientiert – diese Begriffe sind die Eckpfeiler unserer Philosophie.

Was meinen Sie mit zukunftsorientiert?

Wir haben viele Möglichkeiten, zukunftsgerecht zu unterrichten. Wir konnten in diesem Jahr das Zukunftsmodul einführen, in welchem die Kinder handlungsaktiv Dinge lernen, die für die Zukunft tatsächlich wichtig sind. Sie haben sich unter anderem mit dem Leben an Land, mit erneuerbaren Energien und der Gesundheitsvorsorge beschäftigt. Außerdem hat uns die Stadt Schöppenstedt den Minigolfplatz zur Verfügung gestellt, den wir zukünftig gemeinsam mit den Schülerinnen und Schüler gestalten und nutzen werden.

Den hiesigen Minigolfplatz?

Ja, die Stadt Schöppenstedt hat trotz aller Bemühungen keinen neuen Pächter mehr gefunden. Über Bürgermeisterin Andrea Föniger sind wir gefragt worden, ob wir hier gestalten wollen. Die Zusammenarbeit mit der Stadt ist ohnehin kreativ und vertrauensvoll. Des Weiteren haben wir einen eigenen Schulwald, in dem unsere Bienen Honig produzieren. Diesen füllen unsere Schülerinnen und Schüler selbst ab, bevor er vom schuleigenen Förderverein verkauft wird. Darüber hinaus bietet unser Gelände noch mehr Möglichkeiten, besonders im sportlichen Bereich. Sowohl das Freibad, das Sportstadion und die Sporthalle als auch ein Spielplatz und ein Streetballplatz sind ganz in der Nähe.

Was kann man sich unter Kreativität in der Schule vorstellen? Schulen arbeiten doch nur nach Lehrplänen, oder?

Die Lehrpläne bilden selbstverständlich den inhaltlichen Kern unseres Unterrichts. Dennoch haben wir es uns als Ziel gesetzt, dass die Schülerinnen und Schüler neben dem regulären Fachunterricht ihr Wissen auch in Projekten erarbeiten und vertiefen können. Zuletzt haben wir in den Jahrgängen fünf bis acht zwei Projekte durchgeführt. Die zuvor behandelten Unterrichtsinhalte wurden in dem Rahmen mit handlungsaktiven Aufgabenformaten verknüpft, die einen hohen Aufforderungscharakter besaßen. Dieses Vorgehen hat sich bei uns etabliert und die Ergebnisse sprechen für sich. Die Jahrgänge fünf und sechs haben im Deutschunterricht das Buch »Woodwalkers« gelesen und sich unter anderem den Inhalt sowie die handelnden Charaktere erarbeitet. In der Projektwoche konnten die Schülerinnen und Schüler dann ein Musikstück zum Buch schreiben und aufführen. Sie konnten auch Masken zu Figuren herstellen, Szenen sowohl als Standbilder als auch lesend und kreativ in sogenannten Dioramen darstellen oder Spiele an ihren eigenen Tablets entwickeln. Die Jahrgänge sieben und acht haben Unterrichtsinhalte in Gesellschaftsspiele umgesetzt. Dabei mussten sie ihr Wissen weiter vertiefen und konnten gleichzeitig kreativ arbeiten.

Noten werden an Ihrer Einrichtung erst ab der achten Klasse vergeben. Wie bewerten Sie und Ihre Lehrkräfte das?

Wir empfinden es als Glück, dass wir in den Jahrgängen fünf bis sieben keine Noten vergeben müssen. Die Schülerinnen und Schüler erhalten von uns aber eine echte Rückmeldung über ihren Lernfortschritt, mit der sie auch etwas anfangen können. Ich möchte Ihnen hier ein Beispiel nennen. Ich bin Musiklehrerin und anstatt den Kindern bei durchschnittlichen Leistungen die Note drei zu geben, kann ich ihnen genau das rückmelden, was sie gut können und was sie unbedingt ausarbeiten sollten. Dabei kann ich konkrete Handlungshinweise geben. Ich habe einen Schüler in der sechsten Klasse, der wunderbar singen kann. Ihm habe ich im letzten Lernentwicklungsbericht geraten, sich der Schulband anzuschließen. Seit dem Halbjahr ist er nun da und blüht richtig auf. Im achten Jahrgang kombinieren wir unsere persönlichen Rückmeldungen mit Noten, damit wir im Hinblick auf die Abschlüsse auch mit den anderen Schulen vergleichbar sind.

Apropos Abschlüsse. Ihr erster Jahrgang hat vergangenes Jahr die Schule verlassen. Wie erfolgreich war die Arbeit mit Projekten und ohne Noten?

Von 65 Schülerinnen und Schülern erreichten 29 einen erweiterten Sekundarabschluss I.
Damit haben sie die Berechtigung erhalten, eine gymnasiale Oberstufe auf einer IGS oder einem Gymnasium zu besuchen. Wir kooperieren eng mit den integrierten Gesamtschulen in Wolfenbüttel, die unseren Schülerinnen und Schülern einen Platz in der Oberstufe zusichern. Die Rückmeldung der Lehrkräfte von dort hat gezeigt, dass sich unsere Schülerinnen und Schüler dort gut eingelebt haben, und wir freuen uns schon, wenn uns die ersten mit ihrem Abitur besuchen kommen.

Was sind für Sie die größten Chancen, die Sie in Ihrer Schule sehen?

Wir ermöglichen allen Kindern einen sanften Übertritt von der Grundschule an die weiterführende Schule. Nicht nur unser System ohne Noten hilft dabei, sondern auch unser weitläufiges Schulgelände. So können wir ermöglichen, dass unsere Kleinen ein eigenes Gebäude mit einem eigenen Schulhof und einer eigenen Spielausleihe haben. Außerdem haben sie ein festes Lehrkräfteteam, das im gleichen Gebäude sitzt und arbeitet. Unsere Lehrerinnen und Lehrer arbeiten gemeinsam und zeigen so, wie Teamarbeit funktioniert, sodass die Schülerinnen und Schüler dies auch selbst im Unterricht umsetzen.

Die Durchführung von Projekten hat in der IGS Schöppenstedt einen hohen Stellenwert. Genutzt wird dabei unter anderem der eigene Schulwald
Die Durchführung von Projekten hat in der IGS Schöppenstedt einen hohen Stellenwert. Genutzt wird dabei unter anderem der eigene Schulwald