loader-image
Schöppenstedt, DE
temperature icon 0°C
Mäßig bewölkt

Kleintierhilfe: scharfe Vorwürfe gegenüber Leiterin und Landkreis

Verdreckte Möbel, Tierkot und Müll, soweit das Auge reicht – bei der vom Vermieter genehmigten Begehung der verlassenen Wohnung dokumentierten Tierschützer die desaströsen Zustände

Die Geschehnisse in der ehemaligen Kleintierhilfe Schöppenstedt sorgen auch rund einen Monat nach dem Verschwinden der umstrittenen Leiterin bei Tierschützern und direkten Nachbarn für Bestürzung und Wut. Nicht nur die Leiterin und zugleich Vorsitzende des Vereins »Waschbärhilfe, Kleintierhilfe & Exotenasyl e. V.« sieht sich schweren Vorwürfen ausgesetzt, sondern auch das Veterinäramt und die Untere Naturschutzbehörde Wolfenbüttel. Den Hauptverantwortlichen dort wird von vielen Seiten vorgeworfen, zu lange untätig gewesen zu sein und inkonsequent gehandelt zu haben.

»Man muss es deutlich sagen: Der ganze Fall ist aus tierschutzrechtlicher Sicht ein Skandal. Dem Landkreis Wolfenbüttel muss man ein totales Versagen bescheinigen. Das, was dort in dem Haus mit den Tieren passiert ist, war vorhersehbar und hätte verhindert bzw. unterbunden werden müssen«, erklärt der Tierschützer, Jäger und freie Journalist Manfred Wysocki, der sich seit eineinhalb Jahren intensiv mit den Ereignissen in der Kleintierhilfe Schöppenstedt beschäftigt und die zuständigen Verantwortlichen beim Landkreis immer wieder auf die Missstände in dem von der Leiterin angemieteten Wohnobjekt hinwies. »Ich habe oft mit den zuständigen Personen gesprochen und ihnen klargemacht, dass dort eingegriffen und die Tiere gerettet werden müssen. Die Vorsitzende des Vereins verfügt über keinerlei Sachkunde und hatte zudem für die Haltung einiger Tiere nachweislich keine tierschutzrechtliche Genehmigung«, berichtet Wysocki. Die selbst ernannte Tierschützerin, die ihre angemietete Wohnung Anfang September – drei Jahre nach ihrem Einzug– in einer Nacht- und Nebelaktion in einem unzumutbaren Zustand zurückließ, hatte zahlreiche Waschbären sowie Stinktiere, Siebenschläfer, Fledermäuse, Marder und Kaninchen in ihrer Obhut, kümmerte sich aber offenbar trotz zahlreicher Sach- und Geldspenden aus der Bevölkerung nur unzureichend um die Tiere, wie der Schöppenstedter Knut Peters bestätigt.

Der Unternehmer war der direkte Nachbar der Kleintierhilfe und bekam die Missstände unmittelbar mit. »Während man die Frau anfangs noch recht oft zu Gesicht bekam und sich ab und an auch mal unterhielt, zog sie sich anschließend immer mehr zurück. Die Fenster wurden verhängt, und mehr und mehr machte sich ein übler Geruch breit. Ab einem bestimmten Zeitpunkt hat sich auch der Müll getürmt, und die Ratten arbeiteten sich daran ab. Immer wieder bekam die Frau Futterspenden in Kartons, um die sie sich nicht kümmerte. Die standen vor dem Haus und gammelten vor sich hin oder landeten im Müll. Wir informierten den Vermieter und auch das Ordnungsamt, damit sich die Lage bessert. Vom Landkreis wurde nach einiger Zeit schließlich eine Hausdurchsuchung anberaumt, die im November 2019 vom Veterinäramt und der Unteren Naturschutzbehörde auch durchgeführt wurde«, schildert Peters.

Tierschützer, Nachbarn und auch der Jäger Wysocki erhofften sich von der Hausbegehung eine Wende zum Positiven, die zum Unmut aller Beteiligten jedoch weitestgehend ausblieb. »Die Tiere sind beschlagnahmt worden, allerdings sind alle bei der Leiterin der Kleintierhilfe verblieben. Es wurde lediglich ein Aufnahmestopp für weitere Tiere beschlossen, weitere Konsequenzen gab es nicht. Auch der Status der Tiere ist nicht aufgenommen
worden. Im Prinzip sind bei der Hausdurchsuchung alle von uns angemahnten Missstände offensichtlich geworden, doch trotzdem durfte die Leiterin weiter schalten und walten, wie sie wollte. Im Verlauf dieses Jahres haben Nachbarn und Tierschützer nach weiteren beunruhigenden Beobachtungen
beim Landkreis um eine neuerliche Vor-Ort-Kontrolle gebeten. Es geschah jedoch nichts«, ärgert sich Wysocki über die aus seiner Sicht unzureichenden Maßnahmen seitens des Landkreises.

Vom Unkraut zugewachsen: Die gespendeten Spielgeräte für die Waschbären wurden von der Leiterin der Kleintierhilfe offenbar nur mangelhaft gepflegt

Konkrete Nachfragen des Stadtspiegels zum Hergang der Hausdurchsuchung und zur weiteren Verfahrensweise in der Causa »Kleintierhilfe Schöppenstedt« wollte der Landkreis Wolfenbüttel, dem das Veterinäramt und die Untere Naturschutzbehörde unterstellt ist, nicht beantworten. Es gebe ein laufendes Verfahren, ließ die Pressestelle verlauten. Die Vorsitzende des Vereins ist dabei laut Manfred Wysocki kein unbeschriebenes Blatt. »Schlimm ist, dass diese Frau nicht zum ersten Mal so gehandelt hat. Seit 2012 hat sie u. a. eine Unterkunft in Salzgitter und Osterode im gleichen Zustand hinterlassen wie die in Schöppenstedt. Es gab eine Strafanzeige gegen sie wegen schweren Falles von Jagdwilderei. Diese ist mit der Begründung, dass es keine Geschädigten gebe, eingestellt worden. Ein Betrugsverfahren wegen mutmaßlicher Veruntreuung von Spendengeldern wurde nach dem Fund neuer Beweise im verwaisten Haus in Schöppenstedt vor Kurzem neu aufgenommen. Außerdem lief seitens des Vermieters
gegen die Leiterin eine Räumungsklage aufgrund monatelanger fehlender Mietzahlungen. Ihr Handeln hat Methode, und bisher hat sie sich immer geschickt aus allem herausgewunden.«

Was derweil mit den Tieren passiert ist, wisse bis auf wenige Ausnahmen niemand genau, so Wysocki. »Der Vermieter hat einigen Tierschützern erlaubt, das verlassene Haus zu betreten und die Situation zu dokumentieren. Zu diesem Zeitpunkt waren alle Tiere verschwunden. Drei Tiere, die aller
Voraussicht aus dem Bestand der Kleintierhilfe stammen, wurden mittlerweile im Umfeld gesichtet und konnten gerettet werden. Die restlichen Tiere wurden wohl entweder freigelassen, sind tot oder wurden bereits irgendwo verscharrt«, so der Jäger, der laut eigenen Aussagen mit seinem eindringlichen Engagement nicht nur die Missstände aufdecken, sondern auch Vermittler zwischen Tierschützern und Jägern sein möchte, um zu zeigen, dass der Graben zwischen Tierschutz und Jagd nicht unüberwindbar sein muss.

Sebastian Nickel