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Hinterbliebene der Cohen-Familie besuchten das Rathaus und das GAS

Bürgermeister Malte Schneider begrüßte kürzlich gemeinsam mit Vertretern des Rates zwei außergewöhnliche Besucher. Gemeinsam mit dem Arbeitskreis Stolpersteine und Gedenkarbeit waren Ronald und Thomas Cohen im Neuen Rathaus zu Gast. Anschließend besuchten sie das Gymnasium Anna-Sophianeum. Die Familiengeschichte der Brüder ist eng mit Schöningen verknüpft. In der Bismarckstraße 2 erinnern heute Stolpersteine an das Schicksal ihrer Verwandten, die einst vor dem NS-Regime flohen.

Ronald und Thomas Cohen mit Bürgermeister Malte Schneider (v. l.) beim Eintrag in das Goldene Buch Foto: Anke Grundmann

Dank des Kontaktes des Arbeitskreises zu Ronald und Thomas Cohen, die heute in England leben und mit großer Anteilnahme die Erinnerungskultur in Schöningen verfolgen, traten die zwei ihre Reise in die Heimatstadt ihres Vaters, in der er einst auch Abitur gemacht hatte, an. Nach der Verwüstung des Familiengeschäftes in der Bismarckstraße war jener 1933 gezwungen, es billig zu verkaufen. Er ging daraufhin nach Berlin, von wo aus ihm 1939 die Flucht nach England gelang. Seine Frau blieb in Schöningen, um die Schwiegermutter zu pflegen. Sie floh schließlich 1940 über Belgien.


»Es ist ein ganz besonderer Termin für uns, Sie im Schöninger Rathaus willkommen heißen zu können«, begrüßte Bürgermeister Malte Schneider die sympathischen und herzlichen Gäste aus London. »Heute scheint es notwendiger denn je, dem Vergessen entgegenzuwirken, an das Greul und Leid in der Zeit des Nationalsozialismus zu erinnern und als Mahnung immer wieder zu thematisieren.«


Ronald und Thomas Cohen konnten das nur bekräftigen. Sie gaben spannende Einblicke in ihre Biografie und die ihrer Familie. Unter anderem berichteten sie von der dramatischen Trennung und Flucht ihrer Eltern 1939 und 1940 nach England, wo sie schließlich zusammen ihr neues Leben aufbauten und die beiden Söhne Ronald und Thomas geboren wurden. Hier gründeten sie Familien und wurden erfolgreiche Unternehmer.


Der Kontakt zum Schöninger Arbeitskreis Stolpersteine entstand vor wenigen Jahren über eine Verwandte aus den USA, die durch eine Internetrecherche von der Verlegung der Cohen-Stolpersteine erfahren hatte.
Bürgermeister Schneider bat die Gäste um einen Eintrag in das Goldene Buch der Stadt. In ihrem Eintrag bedanken sie sich, dass in Schöningen die Erinnerung an das jüdische Leben bewahrt werde.

Der Eintrag der Brüder ins Goldene Buch Foto: Anke Grundmann


Direkt nach dem Besuch im Schöninger Rathaus brachen sie mit Heidi Rank, Manfred und Rosemarie Saak vom Arbeitskreis ins Gymnasium Anna-Sophianeum auf, wo sie vor 250 Schülern – auch von der Eichendorffschule und der Realschule – vom tragischen Schicksal ihrer Familie berichteten. Viele Verwandte kamen bis 1945 in Konzentrationslagern ums Leben. Andere wiederum flüchteten ins Ausland, wo noch heute ihre Nachkommen leben. »Wir nehmen an, dass wir mit unseren Cousinen Helen und Jane in den USA die letzten und vielleicht sogar die einzigen lebenden Verwandten von der ehemaligen jüdischen Gemeinde von Schöningen sind.«


»Die Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Stolpersteine ist für uns ein wichtiges Anliegen, um die Erinnerung an die Schicksale ehemaliger Mitbürger lebendig zu halten«, betonte Bengt Hagelstein, stellvertretender Schulleiter des Anna-Sophianeums. »Es ist eine wertvolle Gelegenheit, den Schülern Geschichte durch persönliche Berichte näherzubringen. Gerade der direkte Kontakt mit Zeitzeugen macht die Vergangenheit greifbar und hilft auch, demokratische Werte zu vermitteln.« Der Besuch von Ronald und Thomas Cohen zeige eindrucksvoll, wie wichtig es ist, Geschichte nicht nur aus Büchern zu lernen, sondern durch persönliche Begegnungen zu erleben.

Etwa 250 Schüler lauschten den Worten der Cohen-Hinterbleibenen


Der Vortrag und die sich anschließende Fragerunde mit den beiden Gästen hinterließ bei den Schülern einen bleibenden Eindruck und vertiefte ihr Verständnis für die jüdische Geschichte Schöningens sowie für die Verantwortung, die Erinnerung wachzuhalten.