Ein Aufruf von Dunja Kreiser zum 8. März
Seit über 100 Jahren ist der 8. März der Tag, an dem die internationale Frauenbewegung weltweit auf die Straße geht und lautstark für die Rechte von Frauen, gegen geschlechtliche Unterdrückung und für echte Gleichberechtigung protestiert. Auch wenn sich die Protestformen im Jahr 2021 coronabedingt geändert haben, wird uns das nicht daran hindern, weiterhin unsere Stimme zu erheben und unseren Kampf entschlossen fortzusetzen.
Die Geschichte des 8. März, die Geschichte der Frauenbewegung ist geprägt von großen gesellschaftlichen Kämpfen und Erfolgen. Das Frauenwahlrecht, das Recht über unseren Körper selbst zu entscheiden, die Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe und all die weiteren Errungenschaften, die heutzutage in Deutschland als selbstverständlich angesehen werden, sind Ergebnisse harter gesellschaftlicher Auseinandersetzungen gewesen und wurden letztendlich von uns Frauen erstritten – gegen den Widerstand der konservativen, patriarchalen Eliten. Dabei war die Sozialdemokratie stets integraler Bestandteil der Frauenrechtsbewegung, hat die Forderungen der Frauen in die Parlamente getragen und war Motor der Veränderung – und das ist bis heute so geblieben.
Auf diesem Wege haben wir bereits vieles erreicht, worauf wir stolz zurückblicken können. Starke Frauen in einstigen Männerdomänen, in Forschung, Wissenschaft, Politik und Medien, Gleichheit vor dem Gesetz, Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsgesetze, verbesserte Bildungschancen für Mädchen und Frauen sind nur einige Errungenschaften, die hier zu nennen wären.
Als SPD-geführte Landesregierung konnten wir in Niedersachsen einen massiven Ausbau der Beratungs- und Präventionsprogramme gegen Gewalt an Frauen und Mädchen auf den Weg bringen. Das Land Niedersachsen fördert zurzeit 43 Frauenhäuser, 46 Gewaltberatungsstellen und drei Mädchenhäuser. Damit stellt das Land ein breites Netz an Zuflucht und Beratung für misshandelte Frauen und ihre Kinder zur Verfügung. Die Umsetzung des sogenannten Istanbuler Beschlusses als „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ ist einer der zentralen Schwerpunkte sozialdemokratischer Regierungsarbeit.
Doch trotz all dieser politischen und gesellschaftlichen Erfolge sind wir von echter Gleichberechtigung noch immer weit entfernt. Noch heute erhalten Frauen für dieselbe Arbeit im Schnitt weniger Lohn als männlichen Kollegen. Frauen sind in Führungspositionen nach wie vor nur eine kleine Minderheit und haben deutlich schlechtere Chancen, in überdurchschnittlich gut bezahlte Berufe vorzustoßen als Männer.
Es sind in erster Linie Frauen, die in systemrelevanten und unterbezahlten Berufen arbeiten – im Sozial- und Erziehungswesen, in der Pflege, in den Supermärkten und all den Bereichen, die unsere Gesellschaft am Laufen halten. Dafür gab es in der Krise viel Applaus und jede Menge warme Worte, aber keine echte Anerkennung in Form von gerechter Bezahlung und guten Arbeitsbedingungen.
Im Zuge der Pandemie sind es vor allem die Frauen, die von Einkommensrückgängen, Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Das liegt zum großen Teil auch daran, dass die Kinderbetreuung und die Arbeit im Haushalt hauptsächlich von Frauen verrichtet werden. Und was bereits unter normalen Umständen kaum zu stemmen ist, wird durch KiTa- und Schulschließungen erst recht zum Problem.
Zur traurigen Wahrheit gehört auch, dass jede dritte Frau in Deutschland im Erwachsenenalter bereits sexualisierte Gewalt erfahren hat. Aus Scham und Angst vor dem Täter erstatten die Opfer häuslicher und sexueller Gewalt häufig keine Anzeige und trauen sich auch oftmals nicht Hilfe anzunehmen. Gewalt gegen Frauen ist leider immer noch ein viel zu wenig beachtetes Thema. Hier brauchen wir dringend bundesweit einen massiven Ausbau von Präventions-, Unterstützungs- und Hilfsangeboten und vor allem eine gesamtgesellschaftliche Debatte über die Wurzeln dieser patriarchalen Gewalt und einen entschlossenen gemeinsamen Kampf für ein Klima, in dem die Täter als das erkannt, benannt und behandelt werden, was sie sind.
Angesichts all dieser Probleme wird klar, dass der Weg zu echter Gleichberechtigung noch weit ist. Ich bin u.a. auch deswegen in die Politik gegangen, um auf all diese Dinge aufmerksam zu machen und etwas zu verändern. Doch der Kampf für echte Gleichberechtigung in all ihren Facetten findet nicht nur den Parlamenten statt, sondern in der gesamten Gesellschaft, im Privaten, am Arbeitsplatz, auf der Straße, im Netz. Wenn die Geschichte des 8. März eines bewiesen hat, dann dass wir den Fortschritt nur gemeinsam erkämpfen können. Also lasst uns auch in diesem Jahr wieder zusammen streiten für gleichen Lohn für gleiche Arbeit, für eine Aufwertung der sozialen uns pflegerischen Berufe, gegen Altersarmut und Gewalt gegen Frauen und für eine egalitäre, emanzipierte und soziale Gesellschaft, an der wir alle teilhaben können. Was wir wollen sind keine Blumen, sondern Gleichberechtigung.