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Erlebnisführung: von Ringwällen und Wallanlagen oberhalb des Reitlingstales

Viele haben bereits flüchtig die Höhenunterschiede wahrgenommen, etwa bei Wanderungen, Laufrunden oder auch Radtouren im Elm. Aber nur wenige denken an die Geschichte vor der eigenen Haustür. Doch der Höhenzug hat viel mehr zu bieten, als nur ein stiller und idyllischer Ausflugsort zu sein. Besonders das Reitlingstal ist dabei auffällig und bekannt für seine doch recht starken Aufwölbungen auf der Nord- und auf der Südseite. Hier liegen auf jeweils etwa 300 Metern Höhe etwas versteckt die Überbleibsel von drei Burgen im Tiefschlaf: dem Wurtgarten, der Krimmelburg und der Brunkelburg.

Kreisheimatpfleger Marco Failla erklärte den Heimat- und Geschichtsinteressierten die Besonderheiten der steil aufsteigenden Brunkelburg.

Diese Reitlingsbefestigungen oder Teile davon sollen nach den heute vorliegenden Forschungsergebnissen ungefähr im 5. Jahrhundert v. Chr. (vorrömische Eisenzeit, auch Latènezeit genannt) entstanden sein und dienten als Fliehburgen dem Schutz der Bevölkerung in Kriegszeiten. Diese alten Anlagen geben uns seit vielen Jahrhunderten Rätsel auf. Es gibt keine schriftlichen Zeugnisse, und die Ergebnisse der Grabungen sind zumeist sehr vage und oft Interpretationssache unter Archäologen.
Unter dem Titel »Von Germanen, Sachsen und Ordensrittern« fand nun eine Führung von Wolfenbüttels Kreisheimatpfleger Marco Failla für etwa 25 Interessierte statt. Die Idee für diese Erlebniswanderung zu den vorchristlichen Stätten der westlichen Elmregion stammt von Erkerodes Heimatpfleger Wolfgang Haberland, der sie zusammen mit dem Bürgerverein der Elmgemeinde geplant hat.
Zunächst bei Regen ging es von der Waldgaststätte »Reitling« westwärts am oberen Tal am Waldrand entlang zum ersten Ziel dieser Wanderung. Der Wurtgarten ist eine mittelalterliche Befestigung, die als Rund- bzw. Ringwall angelegt wurde. Heute erkennt man nur noch die Nordhälfte, die unter Wald liegt. Die südliche Hälfte wurde im 19. Jahrhundert abgetragen und dient heute als Weidefläche. Allerdings erklärte Failla den Interessierten seine bemerkenswerten Luftaufnahmen mit einer Drohne, auf der man aufgrund des unterschiedlichen Graswuchses auch den eingeebneten Teil gut erkennen könne.
Nicht weit entfernt davon liegt oberhalb in nordöstlicher Richtung die Krimmelburg im Evesser Landholz. Eine Forststraße durchschneidet den hohen Wall, den sogenannten Burgwall. Hier befindet sich der Burgberg, auf dessen Kamm sich die Krimmelburg auf einer Länge von 300 Meter und einer Breite von bis zu 100 Meter erstreckt. Interessant ist vor allem die westliche Hälfte mit seinem Castrum, einem stehengebliebenen quadratischen Stück des Plateaus und einem auf drei Seiten liegenden Umfriedungsgraben.
Alle bekannten Erkenntnisse zu den Reitlingsburgen sind im Wesentlichen den archäologischen Grabungen unter der Leitung des Wolfenbütteler Professors Hermann Lühmann Anfang des 20. Jahrhunderts sowie des Prähistorikers Dr. Alfred Tode, dem damaligen Direktor des Braunschweiger Landesmuseums, in den Jahren 1954/55 zu verdanken. Der mitwandernde Archäologe Jörg Weber aus Cremlingen präsentierte einige sehr detaillierte Karten zu den Grabungsergebnissen von Lühmann.
Nach einer etwa einstündigen Pause zur Kräftigung im Talkessel ging es auf der Südwestseite des Reitlingstales wieder steil bergauf auf den Kuxwall zur Brunkelburg. Diese ist mit einer Fläche von rund vier Hektar erheblich größer als die Krimmelburg. Die Länge beträgt etwa 575 Meter bei einer Breite von ungefähr 100 Metern. Hier gibt es ein umfangreiches System von erkennbaren Wallanlagen und Gräben, vor allem aber sehr steile Hänge, die nicht unterschätzt werden dürfen. Die Brunkelburg ist nicht so leicht zu finden, weil es keine nennenswerten Forstwege dorthin gibt.
Zugegeben, manchmal benötigt man als Wanderer schon etwas Fantasie, um sich vorzustellen, wie es früher hier ausgesehen haben soll, aber unter fachkundiger Anleitung wie von Failla, der auch als Archäologe arbeitet, fällt es einfacher, gerade wenn auf besondere geografische Auffälligkeiten hingewiesen wird.
Die Wanderung führte abschließend am Vorwerk des Reitlingstales vorbei, welches sich im Privatbesitz befindet und deshalb nur peripher vom Wanderweg aus betrachtet werden kann. Hier gab es früher eine Wasserburg, die wohl ungefähr Mitte des 12. Jahrhunderts entstanden ist und dem Bischof von Halberstadt gehörte. Zunächst an die Ritter von der Asseburg belehnt, wurde die Wasserburg um 1260 herum dem Deutschen Ritterorden übereignet. Der Orden verlegte jedoch schon wenige Jahre später seinen Verwaltungssitz in das wenige Kilometer entfernte Lucklum. Aus der Burg wurde ein Vorwerk, also erst eine mittelalterliche wehrhafte Anlage, später ein landwirtschaftlicher Gutshof.
Failla machte während seiner Führung deutlich, dass gerade zur Zeit der Sachsenkriege, die etwa um das Jahr 800 stattfanden, die Reitlingsbefestigungen ein einzigartiges System darstellten, in das sich in Zeiten der Not die gesamte Bevölkerung des westlichen Elmvorlandes zurückziehen konnte. Der weite
Talkessel bot im Schutz der Fluchtburgen dabei auch einen wichtigen Platz zur Unterbringung von Viehherden.
Wer auf lockere aber immer erkenntnisreiche Art und Weise noch viel mehr über die Reitlingsbefestigungen erfahren möchte, der sollte den Youtube-Kanal von Marco Failla »Geschichte und Geschichten aus dem Braunschweiger Land« nutzen. Bislang gibt es vier Teile, die sich alle mit den unterschiedlichen Burgen der Reitlingsbefestigungen beschäftigen und Geschichte auch zu Hause erlebbar machen sollen.