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»Die Unterstützung für Ukraine-Flüchtlinge ist unbeschreiblich«

Der Krieg in der Ukraine wütet bereits seit gut zwei Wochen. Durch ununterbrochene Angriffe auf die ukrainischen Städte durch die russische Armee und Separatisten sehen sich mittlerweile über eine Million Menschen gezwungen, ihre Heimat – soweit möglich – zu verlassen. Derweil drücken Menschen nahezu überall auf der Welt ihre Solidarität zur Ukraine aus. So zuletzt auch eindrucksvoll in Schöningen, was sich in einer Mahnwache vor dem Rathaus sowie in der großen Spendenbereitschaft beispielsweise am Anna-Sophianeum und besonders in der als Flüchtlingsunterkunft ausgewiesenen ehemaligen Jugendherberge zeigt. Jene ist bereit für die Ankunft der ersten Familien, die bereits für vergangenen Dienstagabend angemeldet waren.

Die Spendenbereitschaft aus der Bevölkerung für die Flüchtlingsunterkunft in der ehemaligen Jugendherberge in Schöningen war immens, wie dieser Lagerraum zeigt Foto: Lükemann

 

An der Richard-Schirmann-Straße steht die einstige Jugend­herberge seit zwei Jahren leer. Nun kommt ihr als Flüchtlingsunterkunft eine neuen Bestimmung zu. Vor dem Gebäude parken zahlreiche Autos. Ein Kombifahrer öffnet seinen Kofferraum, in dem sich Säcke mit Textilien und Regale befinden. Der Weg ins Innere führt an Einsatzwagen des THW und an DRK-Mitarbeitern vorbei. Gleich im Foyer zeigt sich, dass etliche Menschen dem Spendenaufruf des Landkreises Helmstedt für Kleidung und Bettzeug für vergangenen Dienstag gefolgt sind. Etwa zehn Freiwillige sortie­ren die im Eingangsbereich abgegebenen Spenden in die sich im Untergeschoss befindlichen Lagerräume. Eine Frau greift einen Stapel Kissen und meint, die Unterstützung sei unbeschreiblich, während sie die Stufen hinuntersteigt.
Dort erkennt man das ganze Ausmaß der Spendenbereitschaft. Die drei Zimmer sind mit Regalen versehen, die bis unter die Decke mit Hygiene- und Baby­artikeln, Kleidung, Hand- und Badetüchern sowie unzähligen Decken und Kissen gefüllt sind. Torsten Schimmeyer, der Krisenmanager des Landkreises und Beauftragter für Spezialaufgaben, beschreibt den Stand der Vorbereitungen: »Am Freitag erst haben wir die Entscheidung getroffen, die Jugendherberge als Standort für die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine zu nutzen. Sie bietet mit den vorhandenen Betten und Duschen die beste Infrastruktur. Dafür konnte Bürgermeister Malte Schneider spontan per Handschlag den Pachtvertrag des Deutschen Jugendherbergswerks aufheben und das Gebäude zu unserer Verwendung übergeben. Schon am Sonnabend haben wir mit THW, DRK und Ortsfeuerwehr begonnen, den Außenbereich wieder herzustellen und beispielsweise von Sturmschäden zu befreien. Auch der Innenraum musste nach zwei Jahren Leerstand erst wieder hochgefahren werden.«
Einem Aufruf nach ein paar Reinigungshelfern folgten 51 Freiwillige mit Putzeimer und Lappen und reinigten mit den Teams vor Ort jeden Zentimeter der Jugendherberge. Außerdem haben mehrere Firmen kostenfrei Hilfe geleistet. Die Firma Weber hat die Instandsetzung der Wasser­leitungen übernommen, der Schornsteinfeger Bode hat sich u. a. des Brandschutzes angenommen und die Firma Orban entsandte Radlader mit Spielsand. Somit ist auch der Spielplatz auf dem Gelände wieder nutzbar.
90 Matratzen wurden gespendet, die zwar etwas zu groß waren, aber schnell auf die richtigen Maße gekürzt und frisch bezogen wurden. »Wir sind zu Marktkauf gefahren, um noch einige Dinge einzukaufen, und erhielten Hygieneartikel im Wert von 500 Euro sowie Obst und Gemüse im Wert von 200 Euro. Familie Weiß spendete 75 Kilo Kartoffeln und zudem hat die Gärtnerei Koch Blumen in die Speisesäle gestellt. Und mithilfe immenser Spielzeug­spenden konnten wir sogar ein großes Spielzimmer einrichten«, erzählt Schimmeyer erfreut, während er durch die Gänge geht und die 18 fertigen Zimmer mit bezogenen Betten – teilweise auch Babybetten –, mit Sanitäranlagen sowie der nötigen Ausstattung mit Handtüchern durchsieht.
Letztlich sollen 100 Personen in dem Gebäude unterkommen können. Die ersten neun Familien mit 27 Personen waren für Dienstagabend angemeldet. Weitere fünf sollten am Mittwoch folgen. Für die ersten Nächte ist ein Sicherheitsteam enga­giert. Ob am Ende alle Plätze benötigt werden und zudem der Ausweichstandort in der alten Schule Esbeck für weitere Flüchtlinge vorbereitet werden muss, ist völlig unklar, meint auch Malte Schneider: »Viele der Flüchtlinge kommen durch private Initiative her. Da aber zunächst keine Meldepflicht besteht, ist erst einmal offiziell nicht abzusehen, wie viele Flüchtlinge wirklich nach Schöningen kommen werden.«
Nach dem Ankommen der ersten soll die Unterkunft ab dem Wochenende in den Regelbetrieb übergehen. Ab da übernimmt der DRK-Kreisverband Helmstedt die Leitung. »Der Plan sieht vor, dass die Flüchtlinge bestenfalls nur drei bis vier Tage hierbleiben und dann schon in Wohnungen weiterziehen können. Auch hierfür haben wir bereits Angebote aus der Bevölkerung bekommen«, beschreibt Maik Ramthum, Leiter der schnellen DRK-Einsatztruppe, der später mit im Führungsteam die Leitung der Jugendherberge übernimmt.
Gegen 17.30 Uhr, mit Ende des Spendenaufruffensters, erwarten die Helfer ihre langersehnte Pizza. »Das ist unser Frühstück«, sagt Schimmeyer mit einem Lachen: »Bisher sind wir nicht zum Essen gekommen.« Und schon wieder fährt ein Auto vor und entlädt säckeweise Decken und Handtücher.

Sebastian Lükemann