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Das GAS ging spanischen Spuren in Deutschland nach

Auf den Spuren der anderen im eigenen Land begaben sich im Jahr 2019 Schüler des Schöninger Gymnasiums Anna-Sophianeum (GAS)nach Coslada, einem Vorort der Millionenmetropole Madrid im Herzen Spaniens. Dort erhielten sie zusammen mit ihren spanischen Mitschülern Einblicke in die Beweggründe für die deutsche Migration nach Spanien. Beim geplanten Rückbesuch im März 2020 war vorgesehen, spanischen Spuren in Deutschland zu folgen. Aufgrund der Coronapandemie und der damit einhergehenden Reise­beschränkungen für das Ausland war es der Schule leider nicht möglich, die spanischen Schüler und Kollegen im Rahmen von »Erasmus plus« zu empfangen.
Deutsch-Spanischer Dialog via Videokonferenz
Deutsch-spanischer Dialog via Videokonferenz

Fast ein Jahr später und noch immer im »Coronawürgegriff«, hat die Schule das Projekt nun virtuell durchgeführt. Dazwischen lagen Monate des Hoffens, dass der Austausch eventuell doch noch real stattfinden könnte. Spätestens seit dem Ende der Sommerferien wurde jedoch deutlich, dass der Rückbesuch nur virtuell stattfinden kann. Erschwerend kam hinzu, dass coronabedingt einige Projektpartner die Zusammenarbeit nicht mehr gewährleisten konnten, sodass teilweise neu geplant werden musste. Am Ende stand ein auf drei Tage verteiltes Projekt, das vollständig via Videokonferenzschaltung durchgeführt wurde.

Zum Auftakt des virtuellen Erasmusprojektes gab es ein Grußwort des GAS-Schulleiters Stefan Krauß. Er verwies in seiner auf Spanisch und Englisch gehaltenen Begrüßungsrede auf die Bedeutung solcher Projekte und Aktivitäten und stellte auch heraus, wie wichtig es sei, sich trotz Corona auf europäischer Ebene auszutauschen.
Nach der Einführung begrüßten die Schüler ihren ersten virtuellen Gast, Rosario Jiménez. Sie arbeitet für die Spanische Botschaft in Berlin in der Abteilung Arbeit, Migration und Soziales. In ihrer Präsentation stellte sie zunächst die Arbeit ihrer Abteilung vor. Sie beschrieb die Kooperation mit deutschen Bundesbehörden und erläuterte die Entwicklung der spanischen Migration nach Deutschland ab den 2000er-Jahren ein. Sie gab zudem Einblicke in die Qualifikation der Migranten und ihre Verteilung auf die einzelnen Bundesländer. Im zweiten Teil erfuhren die Schüler etwas über die »weichen« und nicht immer so leicht messbaren Migrationsfaktoren wie Kultur, Sprache und Integration in die Aufnahme­gesellschaft. Jiménez verwies hier auf ein Phänomen hin, das in der Migrationsforschung unter dem Begriff »Ulysses Syndrome« bekannt ist. Dahinter verbirgt sich ein oft chronisches und in seinen Ausprägungen vielfältiges Stresssyndrom, das vor allem bei Migranten zu beobachten ist, die sich in einem nicht sicheren und ablehnenden Umfeld aufhalten. Besonders die Einsamkeit in der Fremde sei laut Jiménez ein wichtiger Einflussfaktor darauf, ob Migration langfristig gelinge oder eben auch nicht. In diesem Kontext betonte sie, wie wichtig Einrichtungen, Anlaufstellen, Kollegen, Bekannte und Freunde für Migranten seien, um eben solche Stressymptome nicht zu entwickeln. Sie verwies jedoch auch auf die Bedeutung des Spracherwerbs und die kulturelle Offenheit gegenüber der Aufnahmegesellschaft als stresslindernde Einflüsse.

Frau Jimenez
Gab kompetent Auskunft: Rosario Jiménez von der Spanischen Botschaft in Berlin

Den Abschluss des ersten Projekttages bildete eine Fragerunde der Schüler zu den Ausführungen von Frau Jiménez. Diese ging ausführlich auf die Fragen zur Präsentation, aber auch zu ihren beruflichen und persönlichen Beweggründen ein, in Deutschland zu arbeiten und zu leben.
Am zweiten Projekttag starteten die Schüler mit den ersten zwei Interviews spanischer Migranten in Deutschland, zunächst mit Sara. Sie lebt seit etwa zwei Jahren in Deutschland und macht derzeit ihren Doktor in Biologie. Als Gründe, weshalb sie nach Deutschland gekommen ist, nannte Sara die guten Forschungs- und Arbeitsbedingungen sowie die Möglichkeiten, sich wissenschaftlich weiterzuentwickeln. Deutschland gefalle ihr im Wesentlichen sehr gut, sie mag die Sprache und viele Aspekte der deutschen Kultur. Sie betonte aber auch, dass sie ihre Familie und die spanische Lebensart sehr vermisse und auch wieder nach Spanien zurückkehren wolle.
Zweite Interviewteilnehmerin war Irene. Sie ist promovierte Wissenschaftlerin und arbeitet am Leibniz-Institut in Magdeburg. Auch sie lebt sie seit etwa zwei Jahren in Deutschland. Für Irene waren es ebenfalls vor allem die beruflichen Aussichten und Qualifizierungsmöglichkeiten, die sie bewogen, nach Deutschland zu migrieren. Dabei hat sie schon einige Orte in Deutschland besucht. Auch ihr Bruder lebt hier. Ihre Bekanntschaften mit Deutschen empfindet sie als sehr bereichernd. Sie hat viele Deutsche als sehr offenherzig und tolerant gegenüber anderen Perspektiven und Sichtweisen erlebt, fühlt sich auch beruflich gut aufgehoben und kann sich daher gut vorstellen, dauerhaft in Deutschland zu bleiben. Auf die Frage, was sie besonders an Spanien vermisse, sagte sie: das Wetter.

Am letzten Projekttag hatten die Schüler Juanfran als Interview­gast im Videokonferenzraum. Er lebt seit neun Jahren in Magdeburg. Hier hat er Informatik studiert und später Arbeit als Informatiker gefunden. Befragt nach seinen persönlichen Herausforderungen, benannte er die anfänglich großen sprachlichen Hürden und auch die anfänglichen Schwierigkeiten, Freunde zu finden. Er führte aus, dass es in Spanien leichter sei, soziale Kontakte zu knüpfen, aber er lobte auch, dass die hier in Deutschland geschlossenen Freundschaften von größerer Tiefe und gegenseitiger Loyalität geprägt seien. Als weitere große Herausforderung empfand er die anfänglichen Ausgrenzungstendenzen im beruflichen Umfeld. Er führte dies vor allem darauf zurück, dass er Spanier sei. Dies habe ihn auch belastet. Weiterhin teilte er mit, für seine Familie sei es schwierig gewesen, zu akzeptieren, dass er nun in Deutschland lebe und arbeite. Auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, jemals nach Spanien zurückzukehren, sagte Juanfran, dass er in Deutschland die besseren Lebensbedingungen habe und er sich in Spanien wieder ein neues Leben aufbauen müsste. Er fühlt sich hier inzwischen weitgehend beruflich und privat wohl. Er schloss aber nicht aus, vielleicht als Rentner ins warme Spanien zurückzukehren.

Zum Abschluss wurden die drei Konferenztage evaluiert. Sie wurden von den Schülern überwiegend als sehr positiv bewertet. Kritisch wurde angemerkt, dass es eben keine Aktivitäten gab und dass Videokonferenzen einen realen Austausch doch nicht richtig ersetzen können. Die betreuenden Lehrkräfte merkten hier zu an, dass man derzeit plane, für interessierte Schüler die ursprünglich vorgesehenen Aktivitäten zumindest teilweise nachzuholen und eventuell zu einem späteren Zeitpunkt einen kleinen Besuch der spanischen Schüler zu ermöglichen.