Ilse Wagner wird am 28. November 100 Jahre alt. Geboren wurde sie 1920 in Eitzum als Ilse Schlüter. Heute ist sie die älteste Einwohnerin des Dorfes.
Ihr Vater war angestellter Schäfermeister beim damals größten landwirtschaftlichen Betrieb des Dorfes; seine Frau versorgte unter den schwierigen Bedingungen der beginnenden Weimarer Republik die Familie. Die Familie bewohnte das zum Hof gehörige Schäferhaus in der Schliestedter Straße. Dort wuchs Ilse bei ihren Eltern und mit ihrem Bruder auf.
Fragt man sie nach ihren Kindheitserlebnissen, dann erinnert sie sich vor allem an die wirtschaftliche Katastrophe und die Inflation von 1923: »Meine Mutter musste das Geld im Kinderwagen transportieren!«, ist der verbliebene Eindruck an die damalige Not.
Nach dem Besuch der einklassigen Volksschule in Eitzum nahm die Jubilarin 1935 eine Arbeit in der Hauswirtschaft auf der Domäne im Nachbarort Groß Dahlum auf. Die Domäne war zu der Zeit eine Art bäuerlicher Großbetrieb. Während ihrer Zeit dort begann der Zweite Weltkrieg. Dieses Ereignis spaltete auch die dörfliche Gemeinschaft – auch wenn dies nicht offen ausgetragen wurde.
1941 kam Ilse nach Eitzum zurück und unterstützte ihre Mutter bei der Bewältigung des Alltags und half dem Vater beim Schafehüten. Mit der Verschärfung des Bombenkrieges musste die junge Frau manchmal Deckung in Gräben suchen. Zusätzlich war sie bei einem Schöppenstedter Betrieb als Heimarbeiterin beschäftigt, der Koppel für die Wehrmacht herstellte. Das Leben auf dem Lande unterschied sich vor allem durch die Versorgungslage. »Wir konnten uns größtenteils selber versorgen«, weiß die Jubilarin zu berichten.
Kommt man auf das Ende des Krieges zu sprechen, dann werden Erinnerungen wach, wie Zwangsarbeiter aus den nahen Lagern des Salzgittergebiets durch das Dorf getrieben wurden. Ein Ereignis, das jeder wahrnehmen konnte.
Mit Kriegsende kamen Flüchtlinge ins Dorf. Darunter auch der Sattler Heinz Henkel, der seine schlesische Heimat verlassen musste. Ihn heiratete Ilse 1952. Aus dieser Ehe ging der Sohn Gerald hervor, mit dem die Jubilarin in ihrem Haus bis heute zusammen wohnt.
Gegen Ende der 50er-Jahre gab Ilses Vater die Schäferei aus Altersgründen auf. Der Besitzer kündigte den Mietvertrag, und die Familie musste sich nun eine neue Bleibe suchen.
Anfang der 70er-Jahre erkrankte Ilses Ehemann schwer. Er starb Mitte der 70er-Jahre. Die Jubilarin arbeitete zu dieser Zeit bei dem Metallunternehmen Fuhrmann in Schöppenstedt, wo sie bis zum Renteneintritt 1980 blieb.
Anfang der 90er-Jahre heiratete Ilse den früheren Offizier Horst Wagner, mit dem sie glückliche Jahre verbrachte.
Die rüstige Jubilarin hat im fortgeschrittenen Alter ein neues Hobby für sich entdeckt. Was in früheren Jahren nicht möglich war, genießt sie nun in vollen Zügen. Sie hat ihre Liebe für Kreuzfahrten entdeckt, bei denen sie ihr Sohn begleitet hat. »Ich freue mich schon auf die Zeit, wenn wir Corona hinter uns gelassen haben und Kreuzfahrten wieder möglich sind«, formuliert die rüstige fast Hundertjährige ihre Pläne.