Eisschwimmen. Klingt schon kalt, ist es auch – und wie! Dennoch treffen sich in der Wintersaison jeden Sonnabendvormittag etwa ein bis zwei Dutzend Menschen so ziemlich jeden Alters am Wolfenbütteler Fümmelsee des WSV 21, um ins bitterkalte Wasser zu steigen. Was schon für sich genommen extrem und auch ein wenig verrückt klingt, kann man aber durchaus noch steigern – zum Beispiel, wenn man bei den internationalen deutschen Meisterschaften im Eisschwimmen antritt.
Jede Menge Schnee und 3,5 Grad Wassertemperatur: Leistungsschwimmen unter perfekten Extrem-Bedingungen
Und genau das trauen sich fünf der Fümmelsee-Schwimmer am letzten Februarwochenende. Es geht ins Osterzgebirge nach Neuhermsdorf im tiefsten Sachsen zu den „Zollhaus open“. In einem Naturteich von vielleicht 35 mal 35 Metern Fläche, direkt an einem schönen Hotel gelegen, sind vier 25-Meter-Bahnen markiert. Bei der Ankunft am Freitag liegt die Wassertemperatur bei knapp über fünf Grad. Zu warm! Denn gewertet wird der Wettkampf erst bei fünf Grad oder darunter. Aber man ist guter Hoffnung. Und dennoch stellt sich der eine oder andere abends beim Essen die Frage: Warum tue ich mir das eigentlich an?
Am nächsten Morgen hat sich das Wetterproblem erledigt. Heftiger Schneefall und eisiger Wind haben die Außentemperatur über Nacht deutlich ins Minus verschoben, und das Wasser hat jetzt 3,5 Grad. Perfekte Extrem-Bedingungen, wobei der schneidende Wind eine echte zusätzliche Herausforderung ist. Es treten etwa 100 gut gelaunte Eisschwimmer aus acht Nationen an. Darunter auch absolute Topstars der Szene wie der zigfache Weltmeister und Weltrekordhalter Christof Wandratsch. Zwei Schwimmerinnen stellen sogar neue Weltrekorde in ihrer Altersklasse auf. Aber auch die DLRG-Rettungsschwimmer sind bereit, müssen aber zum Glück während des gesamten Wettbewerbs nicht eingreifen. Übrigens: Neoprenanzug, -handschuhe oder -socken sind unter Eisschwimmern nicht nur verpönt, sondern im Wettbewerb auch verboten.
Los geht es mit der Königsdisziplin: 1000 Meter Freistil. Das bedeutet 40 Bahnen und – je nach Schnelligkeit – etwa 15 bis 30 Minuten im eiskalten Wasser. Ein Wahnsinn, dem die Wolfenbütteler Teilnehmer staunend zuschauen. An die Strecke traut sich von ihnen (noch) keiner ran. Denn bis auf Nils Rudolph, der das Eisschwimmen im Fümmelsee leitet, hat noch niemand an einem Wettbewerb teilgenommen. Rudolph startet in drei Einzeldisziplinen und holt am Ende in seiner Altersklasse zweimal Silber. Ein tolles Ergebnis. Über 50 Meter Freistil treten Annika Ruth und Tanja Macke-Heider an, wobei Ruth mit dem fünften Platz ein Achtungserfolg gelingt. Michaela Günther und Holger Bartz trauen sich an die 100 Meter Brust heran und kommen ebenfalls beide erfolgreich ins Ziel.
Noch einmal richtig spannend wird es bei der abschließenden Staffel über viermal 50 Meter Freistil. Macke-Heider, Günther, Ruth und Rudolph holen noch einmal alles aus sich heraus und kommen in ihrem Rennenals Dritte ins Ziel. Am Ende landen sie auf Platz sechs, wobei sie zwei Staffeln mit zum Teil deutlich erfahreneren Schwimmern hinter sich lassen.
Körperlich ziemlich geschafft, aber vollgepumpt mit Adrenalin und Endorphinen, werden die Erfolge bei einem italienischen Abend im Hotel gefeiert, bevor es am nächsten Morgen im Schneechaos wieder in die Heimat geht. Es wird für die Fümmelsee-Eisschwimmer mit Sicherheit nicht der letzte Wettbewerb gewesen sein. Denn: Eisschwimmen ist extrem kalt, aber auch extrem großartig.