Corona stellt auch den Amateursport seit über einem Jahr vor riesige Herausforderungen. Womit der TSV Schöppenstedt zu kämpfen hat, wie der Verein zahlenmäßig aufgestellt ist und was er sich für die Zukunft wünscht, darüber sprach Vereinsvorsitzender Werner Isensee mit uns.
Herr Isensee, bis auf die Profiligen steht der Sportbetrieb in den Vereinen derzeit nahezu still. Wie gestaltet sich das sportliche Leben beim TSV Schöppenstedt derzeit?
Leider ist der Sportbetrieb weiterhin eingeschränkt oder teilweise gar nicht möglich. Im Punktspielbetrieb wurde die Saison in allen Sparten und Sportarten annulliert und beendet. Auf- bzw. Absteiger wird es nirgends geben. Da geht es frühestens im August wieder los. Ab dem 10. März durften zumindest Kinder bis 14 Jahren unter Hygienevorgaben wieder im Freien trainieren. Auch Einzelsport für Erwachsene sowie paarweises Training außen war wieder möglich. Für die Einhaltung der Hygienevorschriften hat der Verein mit Unterstützung des Landessportbundes neue Desinfektionsspender für alle Bereiche angeschafft. Seit dem 17. April ist leider alles wieder hinfällig. Der Sportbetrieb musste wegen der hohen Inzidenzen wieder eingestellt werden.
Die Einschnitte im sportlichen Alltag sind immens und Prognosen für die Zukunft derzeit nahezu unmöglich. Wie wirkt sich die Situation auf die Mitgliederentwicklung aus?
Derzeit haben wir noch knapp 700 Mitglieder. Das sind fast 500 weniger als 2008. Für den Verein ist dieser Schwund finanziell eine große Belastung. 500 Mitglieder weniger bedeuten rund 50 000 Euro weniger pro Jahr. In der Coronazeit hat sich die Mitgliederzahl bisher nur leicht verringert. 2020 hatte der Verein 70 Austritte und 60 Eintritte. Allerdings gibt es seit Oktober keine Neuanmeldungen mehr. Die Auswirkungen werden wir erst in ein bis zwei Jahren deutlich spüren. Dann werden ganze Jahrgänge im Mannschaftssport fehlen. Auch ob wir die Seniorengruppen wieder in die Hallen bekommen, bleibt abzuwarten. Und ob sich die vielen ehrenamtlichen Trainer wieder neu motivieren können, ist auch fraglich.
Halten die verbliebenen Mitglieder trotz der Sportabstinenz bedingungslos zum Verein oder werden hier und da auch Rufe nach einem finanziellen Entgegenkommen von Vereinsseite laut?
Zunächst einmal muss ich allen Mitgliedern, die dem Verein die Treue halten und mit uns geduldig auf die Wiederaufnahme des Sports warten, einen großen Dank aussprechen. Hin und wieder werde ich gefragt, ob wir während der Pandemie nicht die Beiträge erlassen können. Auch kamen einzelne schriftliche Aufforderungen, den Beitrag für bestimmte Zeiträume zu erstatten, in denen diese Mitglieder ihren Sport wegen der Pandemie nicht ausüben konnten. Der Gesetzgeber hat hier klare Regeln im Vereinsrecht verankert: Beiträge sind kein Entgelt für bestimmte Leistungen des Vereins. Sie dienen dazu, dass er seine satzungsmäßigen Zwecke gegenüber allen Mitgliedern erfüllen kann, sowie zur Deckung aller laufenden Kosten. Rückforderungen von Mitgliedern wären gemeinnützigkeitsschädlich und könnten den Verein die Gemeinnützigkeit kosten. Auch Beitragsverzicht von Vereinsseite ist rechtlich nicht möglich.
Wie ist der Verein derzeit finanziell aufgestellt?
Dieser Tage stehen wir trotz der Krise noch ganz gut da. Wir müssen zwar weiterhin die laufenden Kosten für Gebäude, Vereinsbus und Geschäftsstelle tragen sowie die laufenden Abgaben für die Verbände abführen, durch die Einsparung der Übungsleitergelder und der Spielkosten ergibt sich aber immer noch ein positives Ergebnis. Das wird sich in den nächsten Jahren jedoch zum Nachteil ändern.
Wurde das positive Ergebnis genutzt, um Investitionen zu tätigen?
Aufgrund der besagten Einsparungen haben wir uns entschlossen, in die Jugendarbeit zu investieren und uns einen neuen, jungen gebrauchten Vereinsbus zugelegt. Ausschlaggebend waren der günstige Kauf, der gute Verkaufspreis für den alten Bus sowie die Zusage der Lotto-Sport-Stiftung, die bereits zum dritten Mal 5 000 Euro als Zuschuss für die Anschaffung eines Fahrzeugs für den TSV bereitgestellt hat.
Kann der Verein auch auf Unterstützung aus der Region zählen?
Glücklicherweise ja. Erst im März habe ich einige unserer vielen Sponsoren aus der Region angesprochen und mit diesen Werbeverträge zur Finanzierung der laufenden Kosten unseres neuen Busses geschlossen. Als Gegenleistung erhielten sie darauf Werbeflächen. Damit sind Steuern, Versicherung und Inspektion für die nächsten Jahre gesichert. Mein großer Dank geht gilt allen Geschäftsleute und Firmen, die uns seit vielen Jahren in allen Bereichen unterstützen und auf die wir uns stets verlassen können.
Sie sind seit 2006 Vorsitzender des TSV Schöppenstedt und haben schon einige Höhen und Tiefen miterlebt. Wie blicken Sie in die Zukunft, was wünschen Sie sich?
Ich wünsche mir vor allem eine schnellstmögliche Rückkehr zum Regelbetrieb in allen Sportarten und eine gewisse Normalität im Sport sowie im Leben miteinander. Die Politik sollte die Meinung der Aerosolforschung stärker beachten, da diese festgestellt hat, dass man sich beim Sport im Freien praktisch nicht anstecken kann. Lasst bitte die Kinder wieder draußen spielen! Abseits davon gilt es, unsere Sportanlage in einigen Bereichen zu modernisieren. Hier denke ich vor allem an die Erneuerung der Leichtathletikanlagen und die Ausstattung unseres Zwischenplatzes mit Kunstrasen. Das größte Sorgenkind ist allerdings unser Hartplatz. Seit Jahren ist er verdichtet, Wasser läuft nicht mehr ab, und sobald die Sonne rauskommt, gleicht er einem Betonfeld. Ich bin seit Jahren mit der Gemeinde und der Politik im Gespräch, damit hier Abhilfe geschaffen wird und ein Hybridrasen angelegt wird. Wir haben gemeinsam seit 2018 mehrfach Anträge an den Bund sowie das Land auf Bezuschussung gestellt. Leider wurden wir in allen Förderprogrammen nicht berücksichtigt. Wenn ich dann lese, dass in Wolfenbüttel nach dem Bau der Germania-Anlage die Meesche für über zehn Millionen Euro neu gebaut wurde und jetzt zwei weitere Kunstrasenplätze im Umland gebaut werden sollen, macht sich bei mir für den Freiluftsport in unserer Region gewisse Hoffnungslosigkeit breit.
Das Gespräch führte
Sebastian Nickel